Meiningen und sein Wasser
Exkursion des FöV AGWA in die südthüringische Residenzstadt
13. September 2024
von Ute Frieße und Hans-Georg Spanknebel
Schon am 13. September 2024 fand der 2. diesjährige Tambach-Dietharzer wasserhistorische Vortrag statt. Es referierte Herr Dr. Kai Pfannschmidt vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) über den Klimawandel in Thüringen. Dabei verstand er es, anhand von Diagrammen der Beobachtungsdaten der letzten 30 Jahre im Vergleich mit der Witterungsperiode 1961-1990 zu zeigen, welche Veränderungen schon gemessen wurden und welche Auswirkungen diese auf den Wasserhaushalt und damit z. B. auch auf die Landwirtschaft haben. Bemerkenswert ist dabei u. a., dass der Niederschlag in den Wintermonaten zwar nicht abnehmen, jedoch weniger als Schnee fallen wird. Daher ist auch mit einem Rückgang der Grundwasserneubildung, die größtenteils außerhalb der Vegetationsperiode stattfindet, zu rechnen.
Am nächsten Tag trafen sich Mitglieder und Freunde des Fördervereins AGWA in Meiningen, zunächst zur Führung durch die Kläranlage der Stadt. Dort wurden sie vom Leiter der Anlage, Herrn Lutz Böhler, zu einer 2-stündigen Führung begrüßt. Die Führung der Gäste übernahm der für die Abwasserbehandlung zuständige Mitarbeiter.
Beginnend bei der mechanischen Reinigung mit Grob- und Feinrechenanlage, über Sandfilter und Fettabscheider ging der Weg mit entsprechenden Erläuterungen zu den biologischen Belebungsbecken, die als Kombinationsbauwerk mit Nachklärung ausgebildet sind. Da die Anlage mit Schlammstabilisierung arbeitet, benötigt sie keine Faultürme, sondern nur einen Schlammspeicher. Erwähnenswert ist außerdem, dass sich auf dem Gelände ein offenes Regenüberlaufbecken (RÜB) befindet, in dem im Regenwetterfall das Mischwasser, das die Kläranlage hydraulisch nicht sofort verarbeiten kann, aufgefangen- und vor Eintritt in das Feinsandfanggerinne zwischengespeichert wird. Nach Ende des Regenereignisses, wenn die hydraulische Belastung wieder abnimmt, wird dann das zwischengespeicherte Mischwasser über ein Pumpwerk im RÜB zum aktuellen Abwasserzulauf hinzu dosiert und in der Kläranlage behandelt. Dies ist erforderlich, weil Meiningen überwiegend über ein Mischwasserkanalisationssystem verfügt.
Erstaunt waren die Teilnehmer über die Menge des anfallenden Rechengutes, das gepresst und danach in die thermische Verwertung transportiert wird. Auch über größere Fremdkörper, die im Kanal die Anlage erreichten, wurde berichtet. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Aufklärung der Bevölkerung nach wie vor notwendig ist. Diesem Bedarf kommen die Mitarbeiter der Anlage durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit nach. Am Ende konnten sich alle Teilnehmer von der guten Qualität des in die Werra eingeleiteten behandelten Abwassers überzeugen, die im hauseigenen Labor laufend überprüft wird.
Auf dem Weg zur Mittagsstation wurde die Flutmulde in Augenschein genommen, die ein wesentliches Element des Meininger Hochwasserschutzes ist. Das Mittagessen war im Restaurant „Schloss-Stuben“ im Schloss Elisabethenburg angemeldet und die Meininger „Hütes“ bald in aller Munde. Danach begann vor dem Schloss die Stadtführung unter besonderer Berücksichtigung wasserwirtschaftlicher und wasserhistorischer Belange, wobei auch Meiningen als Residenzstadt besondere Aufmerksamkeit gewährt wurde. Im Residenzschloss, das Eigentum der Stadt ist, haben außer dem Oberbürgermeister auch das Museum und das Stadtarchiv ihr Domizil. Wasserwirtschaftliche Stationen waren zunächst die Bogenbrücke im Schlosspark und die Georgsbrücke, über deren bauliche Besonderheiten das uns führende Ehepaar Greifzu einiges zu berichten hatte. Bald danach wurde an einem weiteren wichtigen Bauwerk, dem Prolle-Wehr Station gemacht: Hier wird der Mühlgraben in weitere Arme geteilt, um Mühlen betreiben zu können. In früheren Jahren war nicht nur das Mahlen von Getreide oder Öl wichtig, sondern auch die Gewinnung von Energie. Außerdem war auch schon damals der Schutz vor möglichen Hochwässern bedeutsam. Über den sog. Pulverrasen gelangten wir schließlich zum Henneberger Wehr, wo der Mühlgraben von der Werra abzweigt. Dieser speist kurz unterhalb auch die historischen Wallgräben, die später Bleichgräben genannt wurden und die Innenstadt auf der Ostseite umschließen.
Die Steuerung des Wehres erfolgt zentral durch das TLUBN, damit bei sich ankündigendem Hochwasser umgehend und koordiniert reagiert werden kann. Um Wassersportler, also Ruderer oder Kanusportler, am Wehr nicht zu gefährden, gibt es Anlegestellen mit sehr kurzen Strecken, auf denen die Boote über Land getragen werden müssen.
Vom Wehr aus spazierten wir auf einem schönen Weg entlang der Bleichgräben und hörten Erläuterungen zu deren Nutzung. Besonders beeindruckend und imposant fanden alle das Henneberger Haus, unter dem einer der Bleichgräben entlang führt. Diese Besonderheit kann man allerdings erst erkennen, wenn man sich weit über die Brüstung beugt. Im Garten des wie ein Fachwerkhaus aussehenden Gebäudes kann man am Wasser sitzend gemütlich Kaffee trinken. Das Henneberger Haus ist wie einige der anderen als solche wahrnehmbaren Häuser allerdings kein Fachwerkhaus. Dies erscheint lediglich so durch die als Schmuck angebrachte Verblendung, denn sie sind sehr viel später errichtet worden als echte Fachwerkhäuser. Auch das benachbarte, bis in die jüngere Zeit genutzte Wasserwerk ist bemerkenswert. Es diente nicht der Stromerzeugung, sondern dem Transport von Trinkwasser mit Hilfe der Wasserkraft. Für viele Bauten zeichnete der Meininger Oberbaurat Dr. Eduard Fritze verantwortlich. Dazu zählen einige der prächtigen Wohnhäuser, Brücken und andere wasserwirtschaftliche Bauwerke. Für den Ehrenbürger der Stadt wurde am Hotel „Sächsischer Hof“ eine Gedenktafel angebracht. Unter den Teilnehmern wurde die Frage diskutiert, ob sich die beiden Wasserbauingenieure Hermann Wurffbain (1804 Breslau – 1889 Arnstadt/ s. wasserhistorischer Vortrag vom 22.3.2024) und Eduard Fritze (1849 Veilsdorf – 1926 Würzburg) trotz des großen Altersunterschieds kannten. Beide waren Absolventen der preußischen Bauakademie. Eventuell war Fritze während seiner Berliner Zeit Schüler von Wurffbain?
Die Führung endete nach ca. 2 Stunden im Englischen Garten hinter dem Staatstheater. Das Ehepaar Greifzu hat es hervorragend verstanden, zu zeigen wie gut sie ihre Stadt kennen und wie sehr sie diese lieben. Bei mehreren Teilnehmern wurde das Interesse für eine erneute Visite in der Stadt geweckt. Insgesamt war es wieder eine sehr interessante und gelungene Exkursion.